Dringende Gründe für aktive Veränderung im Einzelhandel

Wir wollen den Wandel im Einzelhandel aktiv gestalten. Das bedeutet zunächst einmal zusätzliche Arbeit. Die erste Herausforderung ist es, sich aus dem operativen Geschäft loszureißen und die Veränderung anzupacken. Zwischendurch wird es Abschiede und Fehlschläge geben. Genau dann müssen wir uns immer wieder aufraffen und weiterkämpfen. Wie gelingt uns dies? Hier kommen nun Kotters Erfolgsfaktoren aus dem Change Management zum Einsatz: Wir brauchen dringende Gründe für die aktive Veränderung. Sie erzeugen bei den Beteiligten ein Gefühl der Dringlichkeit (den sogenannten „Sense of Urgency“) und geben Motivation.

5 vor 12 - das Bild zeigt eine Uhr, die auf 5 Minuten vor 12 Uhr steht. Im Hintergrund ist eine Steinwand zu sehen. Unten steht: "Dringende Gründe für aktive Veränderung im stationären Handel

Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen

Ein Anlass für Veränderung kann entweder ein akutes Problem oder eine große Chance sein. Wichtig ist, dass sich Inhaber und Mitarbeiter die Gründe nachvollziehen können. Es hilft beispielsweise, mögliche negative Szenarien aufzuzeigen, die ohne einen Wandel eintreten können. Ziel ist es, alle Beteiligten wachzurütteln und zum Handeln zu bewegen. In Kotters Buch „Das Pinguinprinzip“ entdeckt zum Beispiel der Pinguin Fred, dass der Eisberg, auf dem seine Kolonie lebt, schmilzt. Dies ist der Grund, weshalb die Pinguine losziehen und eine neue Heimat suchen müssen.

Die Change Management Lehre besagt, dass dringende Gründe für eine Veränderung am besten vom Top Management definiert und vorgelebt werden. Führungskräfte zeigen Mitarbeitern auf, weshalb der Wandel erforderlich ist. Dazu werden die Gründe regelmäßig kommuniziert. Eine Visualisierung hilft, die Botschaft zu transportieren.

Dringender Handlungsbedarf im Einzelhandel

Weshalb ist eine aktive Veränderung im stationären Einzelhandel erforderlich? Der Einzelhandel steckt bekanntlich in einer Krise. Corona hat die Probleme nur verstärkt. Die Branche kämpft unter anderem mit hohen Beständen und einer gesunkenen Kundenfrequenz in den Fußgängerzonen. Umsätze des stationären Einzelhandels in der Modebranche liegen unter dem Vor-Corona-Niveau. Hinzu kommt die aktuelle wirtschaftliche Lage. Der GfK-Konsumklima-Index liegt im Januar 2023 bei -37,6 Punkten. Die Unsicherheiten durch den Ukraine-Krieg und die hohe Inflation halten vom Kauf ab.

Wahrscheinlich dachten Sie bei Lesen des vorherigen Abschnitts: „Ja klar, weiß ich, ist ja nichts Neues“. Haben Sie die Punkte wachgerüttelt? Ich nehme an die Antwort lautet „Nein“. Die Argumente mögen zwar faktisch richtig sein. Jedoch erzeugen diese „nüchternen“ Aussagen kein Gefühl der Dringlichkeit. Es ist daher wichtig, dringende Gründe für eine Veränderung individuell für jedes Unternehmen zu definieren.

Anlass zur Veränderung bei Schenken & Genießen

Um den individuellen „Sense of Urgency“ für Schenken & Genießen zu erzeugen, habe ich die Inhaberin (meine Mutter) direkt gefragt: „Warum müssen wir etwas ändern?“ Sie war auf die Frage nicht vorbereitet. Ihre erste Antwort lautete: „Im Einzelhandel muss man sich eben immer verändern“. Diese allgemeine Aussage rüttelt nicht wach, sie dient nicht als Ansporn. An dieser Stelle habe ich mit zusätzlichen Fragen weiter gebohrt: „Was passiert, wenn wir einfach alles so weiterlaufen lassen? Was stört dich aktuell?“. Nach 10 Minuten hatten wir 3 greifbare Gründe:

Dringender Grund #1: Umsatz durch Stammkunden sinkt

Der Großteil der langjährigen Kunden von Schenken & Genießen ist inzwischen um die 60 Jahre alt. Das ist per se kein Problem. Im Gegenteil – ohne diese treuen Kunden gäbe es das Geschäft nicht über 20 Jahre. Nicht selten staunt man, wie perfekt die Outfits dieser junggebliebenen Damen oftmals sind. Jedoch brauchen sie laut eigener Aussage kaum mehr Kleidung. Die Kleiderschränke sind voll. Einige sind nicht mehr berufstätig. Der tatsächliche Bedarf an Mode und Accessoires sinkt im Alter. Der Umsatzanteil der Stammkunden wird durch die abnehmende Kaufkraft geringer.

„Unsere Kunden sterben mit der Zeit weg oder sagen, sie brauchen nichts mehr“

Brigitte Rella-Soller, Inhaberin von Schenken & Genießen in Winnenden

Besonders einschneidend sind die Momente, in denen Todesanzeigen ehemaliger Kunden in der lokalen Tageszeitung erscheinen. „Unsere Kunden sterben mit der Zeit weg oder brauchen nichts mehr“, sagt die Inhaberin. Die Basis der Stammkunden wird somit über die Jahre kleiner.

DringenderGrund #2: Die Kundenfrequenz in Innenstädten sinkt

Diese natürliche Entwicklung wird dann zur Herausforderung, wenn zu wenig „neue“, jüngere Kunden, hinzukommen. Früher war es nicht nötig, aktiv auf Kundenfang zu gehen. Es gab genügend Laufkundschaft. Heute kämpfen stationäre Einzelhändler mit abnehmenden Besucherfrequenzen. Umso schwieriger ist es, Neukunden zu gewinnen und sie zu Stammkunden zu entwickeln.

„Die Innenstadt ist tot. Heute Nachmittag kam ein Kunde in den Laden. Ich habe eine Karte verkauft“, sagte meine Mutter neulich. Einige Einzelhändler haben inzwischen tageweise geschlossen. So wird die Innenstadt zunehmend unattraktiver für Kunden. Spontankäufe werden weniger, der stationäre Umsatz sinkt.

„Die Innenstadt ist tot. Heute Nachmittag kam ein Kunde in den Laden. Ich habe eine Karte verkauft.“

Brigitte Rella-Soller, Inhaberin von Schenken & Genießen in Winnenden

Dringender Grund #3: Es herrscht Personalmangel

Zu den beiden bereits genannten Schwierigkeiten kommt hinzu, dass akuter Personalmangel bei Schenken & Genießen herrscht. Vor Kurzem kündigte eine Mitarbeiterin, da sie aufgrund von Personalengpässen im Unternehmen ihres Mannes aushelfen muss. Somit besteht Schenken & Genießen aktuell aus der Inhaberin und einer Mitarbeiterin auf Minijob-Basis. Steht ein Urlaub an oder kommt ein Krankheitsfall dazwischen, bleibt der Laden unter Umständen geschlossen. Dies bedeutet kein Umsatz, während Kosten wie Miete oder Löhne weiterlaufen. Bewerbungen erhält die Inhaberin kaum.

„Keiner will mehr im Einzelhandel arbeiten.“

Brigitte Rella-Soller, Inhaberin von Schenken & Genießen in Winnenden

3 dringende Gründe für aktive Veränderung bei Schenken & Genießen

Zusammengefasst ergeben sich drei dringende Gründe für die aktive Veränderung:

  • Der Umsatz der Stammkunden sinkt durch abnehmende Kaufkraft im Alter
  • Umsatz durch Laufkundschaft bleibt durch „tote“ Innenstädte aus
  • Es kommt zu Umsatzeinbußen, da der Laden aufgrund von Personalmangel im Krankheitsfall/zu Urlaubszeiten geschlossen wird

Um diese dringenden Gründe zu kommunizieren und zu verinnerlichen, hilft eine Visualisierung. Für Schenken & Genießen nutzen wir dafür 3 Bilder:

  • Die Todesanzeige der zuletzt verstorbenen Stammkundin
  • Eine Kopie des Kassenabschlusses von dem Tag, als nachmittags nur eine Karte verkauft wurde
  • Ein Bild des geschlossenen Ladens

Um die Auswirkung dieser 3 dringenden Gründe zu verdeutlichen, gehe ich noch einen Schritt weiter. Alle 3 Punkte führen letztendlich zu Umsatzeinbußen. Das Problem dabei ist vereinfacht gesagt, dass weniger Geld zur Verfügung steht, um die Rechnungen zu zahlen. Eine Sorge, die Inhaber persönlich betrifft. Zum einen habe ich den Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr unter Berücksichtigung der Inflation berechnet und diese Zahl visualisiert. Zum anderen haben ich die aktuelle Umsatzentwicklung für das laufende Jahr prognostiziert und die immer weiter steigenden Fixkosten gegenübergestellt. Das Bild ist stark vereinfacht aber es zeigt deutlich: Der Umsatz wird geringer, während die Kosten – insbesondere für Energie – steigen.

So wird klar:

Wenn wir nichts ändern, sinkt der Umsatz weiter, bis wir schließlich keine Rechnungen mehr bezahlen können.

Fazit und Ausblick

Der dringende Grund für eine Veränderung sollte vom Top Management definiert bzw. vorgelebt werden. Führungskräfte zeigen Mitarbeitern auf, weshalb der Status Quo angepasst werden muss. Im Fall von Schenken & Genießen gibt es aufgrund der Größe keine „Führungskräfte“. In diesem einem Fall erzeugt die Inhaberin das Dringlichkeitsgefühl selbst. 3 dringende Gründe für eine aktive Veränderung wurden benannt und visualisiert. Sie helfen dabei, den Veränderungsbedarf auch nach ersten Erfolgen oder in besseren Phasen nicht aus den Augen zu verlieren. Im nächsten Schritt werden sie innerhalb des Unternehmens kommuniziert. Hierfür nutzen wir die nächste Teamsitzung.

Wandel erfordert Struktur

Mein letzter Beitrag ist 2 Jahre alt. Ich wollte regelmäßig an der Zukunftsfähigkeit von Schenken & Genießen arbeiten und darüber bloggen. Mein Aktionismus gepaart mit dem Alltag haben mir jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zwar habe ich viel für Schenken & Genießen gearbeitet – selbst im hochschwangeren Zustand habe ich im Verkauf ausgeholfen, da wir zu wenig Personal hatten. Jedoch frage ich mich rückblickend: Ist meine Energie in die richtigen Tätigkeiten geflossen? Was habe ich die letzten beiden Jahre getan, um den Wandel aktiv zu gestalten? Was davon ist geblieben? Immerhin habe ich eine wichtige Erkenntnis gewonnen: Erfolgreicher Wandel erfordert Struktur. Veränderungen müssen durch entsprechende Maßnahmen begleitet werden. Kotters 8 Erfolgsfaktoren für Veränderungsprozesse werden mir zukünftig helfen, den Wandel erfolgreich zu gestalten. Was genau dahinter steckt, ist Inhalt dieses Blogbeitrags.

Wandel ohne Struktur verpufft und verschwendet Ressourcen

Wer kennt es nicht? Zu Beginn einer neuen Aufgabe steckt man voller Tatendrang. Im Kopf schwirren unzählige Ideen und man kann es kaum erwarten, loszulegen. Kurz darauf ist man jedoch wieder im Tagesgeschäft gefangen. Die anfängliche Euphorie schlägt um in ein Gefühl der Hilflosigkeit oder Überforderung. Wie soll man all das neben den anderen Aufgaben schaffen?

Ein Blick in die Literatur zeigt: Das ist kein seltenes Phänomen. Studien zufolge scheitert mehr als die Hälfte aller Veränderungsprojekte.

Wir hatten im letzten Jahr beispielsweise das Sortiment umgestellt, ausgemistet und den Onlineshop auf eine neue Plattform gestellt. Nach einem Jahr blicken wir zurück. Wir erkennen keine klare Linie im Sortiment, der Laden ist vollgestopft und der Onlineshop ist verwaist. Was haben wir falsch gemacht? Im Rückblick ist mir klar: Es fehlte die Struktur.

Struktur als Basis für erfolgreiche Veränderung

Von meinem ersten Chef habe ich eigentlich gelernt, Aufgaben zu strukturieren und Veränderungsprozesse mit entsprechenden Maßnahmen zu begleiten. Wenn ich privat in Aktionismus verfalle, sagt mein Mann stets:

„Proper Preparation Prevents Poor Performance“

James Baker, ehemaliger Außenminister der vereinigten Staaten

Das nehme ich mir nun zu Herzen. Aus Fehlern lernt man schließlich. Ich werde eine Struktur für den Wandel definieren und dieser folgen. Dafür muss ich das Rad nicht neu erfinden. Stattdessen verwende ich passende Management-Werkzeugen aus der Unternehmenspraxis und passe sie für meinen Zweck an.

Ich krame in meiner Berater-Werkzeugkiste und entdecke „Change Management„. Sie werden hierzu zahlreiche Definitionen finden. Meine vereinfachte Erklärung lautet: Change Management (zu deutsch: Veränderungsmanagement) umfasst gezielte Maßnahmen eines Unternehmens, um Veränderungen erfolgreich zu gestalten. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Ich selbst habe in meiner beruflichen Vergangenheit insbesondere mit Kotters 8 Erfolgsfaktoren für Veränderungen gearbeitet. Eine Alternative ist das 3-Phasen Modell von Lewin. StEinWand soll pragmatisch sein und auf die Umsetzung fokussieren. Daher bleibe ich einfach bei Kotters Modell und wähle es als Grundlage für meine Struktur.

Kotters Erkenntnisse werden seit den 90ern in Unternehmen eingesetzt. Es würde den Rahmen dieses Blogs sprengen, die Theorie im Detail zu behandeln. Allen Interessierten empfehle ich daher die Lektüre „Das Pinguinprinzip“ von John Kotter und Holger Rathgeber. Verpackt in einer kurzweiligen Geschichte stellen die Autoren Veränderungsstrategien vor.

Oftmals wird auch von 8 Stufen gesprochen, die nacheinander durchlaufen werden. Ich persönlich finde die Beschreibung unpassend, da z.B. regelmäßig kommuniziert werden sollte. Auch die Befähigung von Mitarbeitern ist je nach Veränderungsmaßnahme wiederholt erforderlich. Daher bleibe ich beim Begriff der „Erfolgsfaktoren“ und stelle sie im Folgenden kurz vor.

Die 8 Erfolgsfaktoren beschreiben allgemein Handlungsfelder, damit der Veränderungsprozess im Ganzen erfolgreich ist – unabhängig von einzelnen Aktivitäten.

8 Erfolgsfaktoren für strukturierte Veränderungen nach Kotter

ErfolgsfaktorBeschreibung
#1: Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugenEs braucht ein gemeinsames Verständnis für Veränderungsbedarfe. Hierzu kann man folgende Frage stellen: Was würde passieren, wenn keine Veränderung stattfindet? Somit können auch negative Gefühle genutzt werden, um ein Dringlichkeitsgefühl zu erzeugen.
#2: Führungskoalition aufbauenUm Veränderungen durchzuführen, sollen verschiedene Mitarbeiter aus der Führungsebene oder mit entsprechendem Einfluss Teil des „Veränderungsteams“ werden. Im Kontext kleiner stationärer Geschäfte mit keinen oder wenigen Mitarbeitern kann auch ausschließlich die Inhaberin und eventuell eine Mitarbeiterin Teil des Teams sein.
#3: Vision und Strategie entwickelnWichtig ist, das langfristige Ziel (die Vision) sowie den Weg dort hin (die Strategie) aufzuzeigen. Die Vision geht dabei über ein kurzfristiges Umsatzziel (z.B. Steigerung des Umsatzes um 10% bis Jahresende) hinaus und gilt in der Regel mehrere Jahre bis Jahrzehnte. Die Strategie wiederum kann auf verschiedene Zeiträume heruntergebrochen werden (z.B. 1 Jahr und 5 Jahre) und umfasst verschiedene Maßnahmen.
#4: Kommunikation der VeränderungVeränderung gelingt nur, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen und wissen, worauf man gemeinsam hinarbeitet. Daher sollten die ausgearbeiteten Visionen und Strategien kommuniziert und verständlich erklärt werden. Eingängige Bilder helfen bei der Kommunikation.
#5: Hindernisse beseitigenDieser Punkt wird teils auch „Mitarbeiter befähigen“ genannt. Diese Formulierung hat für mich allerdings eine negative Note. Zudem werden dabei nicht alle Aspekte, die ein Hindernis darstellen können, beleuchtet. Hürden im Veränderungsprozess können z.B. organisatorischen Ursprungs (ineffiziente Prozesse) oder technischer Natur (z.B. alte Softwaresysteme) sein.
#6: Schnelle Erfolge erzielenHierbei geht es darum, Zwischenziele zu formulieren und ihre Erreichung zu kommunizieren. Natürlich sollten sie auf die langfristige Vision einzahlen. Schließlich geht es darum, Mitarbeiter zu motivieren.
#7: Den Wandel vorantreibenDies bedeutet, Maßnahmen nicht zu früh als „erledigt“ abzutun. Stattdessen gilt es, weiterhin wachsam zu sein und „dran“ zu bleiben. Kurzfristige Umsatzsteigerungen könnten beispielsweise dazu führen, dass Veränderungsmaßnahmen eingestellt werden. Jedoch könnten diese Erfolge auch nur zufällig aufgrund äußerer Einflüsse erzielt worden sein.
#8: Veränderung verankernZiel ist es, dass Veränderungen in die Unternehmenskultur bzw. den Alltag übergehen. Weil sie schnell verpuffen können, soll immer wieder eine Verbindung zwischen Maßnahmen und Erfolgen hergestellt werden.

8 Erfolgsfaktoren im Kontext von StEinWand

In den nächsten Posts werde ich die 8 Punkte weiter bearbeiten und mit Beispielen unterlegen. Damit dies gelingt, erstelle ich einen groben Plan.

ErfolgsfaktorAnwendung im Kontext Schenken & Genießen
#1: Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugenDas wichtigste ist, dass sich Inhaberin und Mitarbeiter mit dem Dringlichkeitsgefühl identifizieren können. Bei einem kleinen, inhabergeführten Einzelhandel können auch persönliche, z.T. subjektive Schmerzpunkte einfließen. Gleichzeitig möchte ich auch faktenbasierte Punkte einbringen, um losgelöst von Bauchgefühlen objektive Argumente für den Veränderungsbedarf anführen zu können.
Daher werde ich für Schenken & Genießen zweigleisig fahren: Einerseits werde ein Interview mit der Inhaberin zu persönlichen Beweggründen für die Veränderung sprechen. Andererseits werde ich vorhandene Daten wie Umsatzzahlen analysieren.
#2: Führungs-koalition aufbauenAm wichtigsten ist es sicherlich, dass meine Mutter und ich ein gutes Kernteam bilden. Da aktuell nur 2 Mitarbeiterinnen auf Minijob-Basis beschäftigt sind,
#3: Vision und Strategie entwickelnDen Unternehmens-Purpose erarbeiten
Unternehmensziele definieren
Strategien mithilfe einer SWOT-Analyse erarbeiten
#4: Kommunikation der VeränderungAls Rahmen für die Kommunikation führen wir vierteljährige Teamsitzungen ein. Sobald Vision und Ziele definiert sind, werden sie dort kommuniziert.
#5: Hindernisse beseitigenHier möchte ich gerne proaktiv entgegenwirken und Barrieren abbauen, bevor ich später darüber stolpere. Daher werde ich mich diesem Punkt gesondert im Rahmen eines Brainstormings widmen und entsprechende Handlungspunkte frühzeitig angehen. Einen Punkt werde ich definitiv angehen: Eine Kurzschulung und ein „Geschäftshandy“ für Social Media-Aktivitäten. Auch das Thema „Fehlende Zeit für Veränderungen“ werde ich bearbeiten.
#6: Schnelle Erfolge erzielenSobald ich Punkt #3 bearbeitet habe, werde ich Zwischenziele ableiten. Daran anknüpfend sollen die Zwischenziele fester Bestandteil der Teamsitzungen werden.
#7: Den Wandel vorantreibenEntsprechende Aktivitäten zur Verankerung von Veränderungen werde ich im Rahmen einzelner Veränderungsmaßnahmen definieren. Darüber hinaus werde ich regelmäßige Termine
mit der Inhaberin Zielabgleich festlegen (1 Mal pro Monat)
#8:Veränderung verankernSiehe Punkt 7 – wird im Rahmen einzelner Maßnahmen behandelt
8 Erfolgsfaktoren für Veränderungen bei Schenken & Genießen

Fazit

Erfolgreicher Wandel benötigt Struktur. Statt direkt die Ärmel hochzukrempeln und Dinge zu verändern, sollte der Veränderungsprozess mit passenden Change-Management-Werkzeugen (z.B. einer Vision) unterstützt werden. Im Rahmen von StEinWand nutzen wir dafür Kotters 8 Erfolgsfaktoren. Zum einen werden wir sie im Vorfeld der Veränderungen berücksichtigen. Zum anderen werden wir sie im Zuge des Wandels integrieren.

Als erstes werden wir uns mit den Erfolgsfaktoren #1 und #3 beschäftigen: Wir werden ein „Gefühl der Dringlichkeit“ erzeugen und eine „Vision und Strategie“ erarbeiten. Da Schenken & Genießen aus einer Inhaberin und 2 Angestellten auf Minijob-Basis besteht, überspringen wir Punkt #2, den Aufbau einer „Führungskoalition“. Das Veränderungsteam besteht aus der Inhaberin und mir. Los geht’s!

Purpose: Orientierung und Identitätswahrung im Wandel

Im letzten Beitrag haben wir ein Gefühl der Dringlichkeit („Sense of Urgency“) erzeugt: Wir kennen nun die dringenden Gründe, weshalb eine Veränderung im stationären Einzelhandel – speziell für Schenken & Genießen – erforderlich ist. Bedeutet das nun, alles Bestehende über den Haufen zu werfen und alles zu verändern? Nein! Es gibt gute Gründe, weshalb kleine stationäre Händler wie Schenken & Genießen seit Jahrzehnten bestehen. Den Wandel gemeinsam zu gestalten bedeutet nicht, pauschal alles umzuwerfen und auf jeden Zug aufzuspringen. Wir wollen bei aller Veränderung die Identität des Unternehmens wahren. Darüber hinaus benötigen wir eine klare Richtung, einen „Nordstern“, für unsere Aktivitäten. Dazu definieren wir den sogenannten „Purpose“ (deutsch: Unternehmenszweck). Er dient zur Orientierung und Identitätswahrung im Wandel.

Wieso ein Purpose sinnvoll ist

Das Bild zeigt eine verblasste To Do Liste im HIntergrund. Darüber steht in Fett: Wir können nicht alles tun und nicht alles macht Sinn

Wenn ich darüber nachdenke, was ich bei Schenken & Genießen alles verändern will, läuft mein Kopf auf Hochtouren. Ob beim Einkaufsbummel durch ein nettes Städtchen oder auf der Messe – überall gibt es Inspirationen. Man könnte ja so viel machen. Inzwischen führe ich ganze Listen in meinem „Ideenspeicher“. Dann kommt die Ernüchterung. Ich frage mich regelmäßig: „Wann soll ich all das machen?“. Bei meiner Mutter als Inhaberin von Schenken & Genießen erzeugen die Ideen von Zeit zu Zeit eher Bauchschmerzen als Glücksgefühle. Nicht selten haben wir unterschiedliche Meinungen dazu. Fakt ist: Wir können nicht alles tun und nicht alles macht Sinn für Schenken & Genießen.

Wie bewerten wir nun, ob eine bestimmte Veränderung sinnvoll ist? Idem wir nach dem grundsätzlichen „Warum“ fragen: Dem sogenannten „Purpose“. Er soll uns Orientierung geben. Somit ermöglicht er ein gezieltes Handeln.

Ein Purpose hat darüber hinaus noch eine zweite Aufgabe: Er dient zur Identitätswahrung. Wie eingangs beschrieben, geht es bei StEinWand um gezielte Veränderung. Den charakteristischen Kern des Unternehmens wollen bzw. müssen wir unbedingt wahren. Somit ist der Purpose nichts, was man erfindet. Es geht eher darum, ihn zu erkennen und zu beschreiben. Durch die klare Definition wird er bewusst und kann im Veränderungsprozess berücksichtigt werden.

Der Purpose als Werkzeug im Wandel

Das Management-Werkzeug „Purpose“ findet aktuell großen Zuspruch in Unternehmen. Ein „Purpose“ (deutsch: Unternehmenszweck) gibt Orientierung. Dabei ist er zeitlos . Er beschreibt den Beitrag eines Unternehmens für seine Umwelt. Dazu zählen z.B. die Gesellschaft und die Menschen. Ein Purpose geht über den reinen wirtschaftlichen Erfolg hinaus. Somit bietet er langfristige Orientierung und schafft Motivation.

Ein Purpose sollte unter anderem 3 Fragen beantworten:

  • Welchen Beitrag leistet das Unternehmen?
  • Für wen wird der Beitrag geleistet?
  • Welche Wirkung soll erzeugt werden?

Er beschreibt also den Mehrwert, den ein Unternehmen seinen Kunden bietet. Prominente Beispiele sind:

  • DHL: Wir verbinden Menschen und verbessern ihr Leben. (Englisch: Connecting people, improving lives)
  • IKEA: Create a better everyday life for people
  • Google: Die Informationen dieser Welt organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar machen.

Exkurs: Das Zusammenspiel von Purpose, Vision, Mission und Strategie

Als ich zum ersten Mal in Berührung mit dem Thema „Purpose“ kam, war ich zunächst ein wenig verwirrt. Ich kannte bisher die klassische Unternehmensvision, ergänzt durch Mission und Strategie. Für mich war unklar, wie sich nun der Purpose eingliedert bzw. abgrenzt und wozu man ihn zusätzlich definiert. Ein Schaubild hat mir dabei geholfen:

Überblick über die 4 Elemente Purpose, Vision, Mission und Strategie. Der Purpose wird mit einem Icon aus offenen Händen, die ein Herz halten, beschrieben. Für die Vision steht eine Zielscheibe. Das Bild für die Mission zeigt einen Weg mit einer Sonne am Ende. Für die STrategie steht stellvertretend eine To-Do-Liste und einem kleinen Bild der Zielscheibe.
Purpose, Vision, Mission und Strategie im Überblick

Visuell gesprochen steht der Purpose noch über der Vision bzw. bildet einen Rahmen. Wie im oberen Absatz beschrieben, geht er über wirtschaftliche Betrachtungen hinaus und bezieht sich auf den Beitrag zur Gesellschaft. Die Vision beschreibt in der Abgrenzung dazu ein zu erreichendes Zielbild in der Zukunft. Die Mission umfasst den Weg zu diesem Ziel. Eine Strategie beschreibt schließlich die konkreten Maßnahmen zur Zielerreichung.

Wie man ergänzend eine Vision, Mission und Strategie definiert, wird Teil der weiteren Beiträge sein. Zunächst fokussiere ich mich auf den Purpose.

Einen Purpose definieren

Um den Unternehmenszweck zu definieren, werden zunächst verschiedene Fragen zum Unternehmen beantwortet. Vorlagen zur Purpose-Entwicklung geben dabei Struktur. Sie werden idealerweise in Teams durch Mitarbeiter bearbeitet. Dabei werden auch die Unternehmensgeschichte und Zukunftstrends beleuchtet. Beispielhafte Fragen sind:

  • Was ist unseren Kunden besonders wichtig?
  • Was sind unsere Stärken?

Einen Purpose kann man sowohl für ein Unternehmen, als auch für sich selbst definieren. Bei einem kleinen, inhabergeführten Unternehmen sind die Person und das Geschäft stark miteinander vernetzt. Daher schließen die Fragen auch Persönliches mit ein.

Wir (meine Mutter und ich) haben uns zur Purpose-Entwicklung für Schenken & Genießen einen Nachmittag lang Zeit genommen. Die Fragen, die uns zum finalen Purpose führten, hatte ich vorab auf Blätter geschrieben. Wie oben beschrieben nutzte ich Vorlagen aus dem Internet. Bunte Post it Zettel dienten dazu, Ergebnisse festzuhalten. Die Wohnzimmerwand fungierte als Whiteboard-Ersatz.

Es dauerte eine Weile, bis der Unternehmenszweck final definiert war. Wir sammelten alle Ideen erst einmal auf je einem Klebezettel. Im letzten Schritt konsolidierten wir die Punkte, die Schenken & Genießen im Kern auszeichnen und formulierten einen Satz daraus.

Die Inhaberin von Schenken und Genießen, Brigitte Rella-Soller, hängt ihre gelben Post its mit Stichworten zum Purpose an eine weiße Wand.
Brigitte Rella-Soller hängt ihre Stichworte zum Purpose an die Wand

Die Erarbeitung des Purpose erfolgt also in mehreren Schritten. Wichtig ist, dass der/die Inhaber*in Teil des Entstehungsprozesses ist und sich mit dem Ergebnis identifizieren kann. Ein Purpose kann nicht durch einen Außenstehenden vorgegeben werden. Ich selbst hatte während des Workshops eine Doppelrolle – als Moderator aber auch als Teil von Schenken & Genießen. Es war zugegebenermaßen schwierig, mich inhaltlich immer wieder zurückzunehmen. Daher empfehle ich Ihnen, einen neutralen Moderator einzubinden. Wir haben uns aufgrund der persönlichen Fragen bewusst dagegen entschieden, die Mitarbeiter direkt beim initialen Workshop einzubeziehen. Dies wird nachgelagert erfolgen.

Der Purpose von Schenken & Genießen

Schrittweise Erarbeitung eines Purpose

Im Zuge des Workshops haben wir uns verschiedenen Fragen gestellt, unter anderem:

  • Wieso kaufen Kunden bei Schenken & Genießen?
  • Was ist charakteristisch für den Laden?

Nach mehreren Diskussionsrunden fokussierten wir uns auf folgende 3 Erkenntnisse:

Individualität & Exklusivität: Zum einen loben Kunden regelmäßig die „ausgefallenen“ Produkte. Schenken & Genießen möchte sich mit dem Sortiment vom Wettbewerb abheben. So sind viele Einzelteile Bestandteil des Angebots. Manche Kunden kommen konkret mit dem Ziel, sich zu belohnen oder sich bewusst etwas zu gönnen.

Inspiration: Einige Besucher möchten „einfach mal nur durchschauen“. Nicht selten verbringen Kunden mehrere Stunden vor Ort. Die liebevoll dekorierten Schaufenster zeigen regelmäßig Outfit-Kombinationen oder Deko-Vorschläge. Auch im Rahmen der persönlichen Beratung erhalten Kunden Tipps und Inspirationen.

Persönlicher Austausch: Das wahrscheinlich wichtigste Asset ist der persönliche Austausch. Oftmals entwickeln sich im Laden persönliche Gespräche. Teils völlig Fremde vertrauen der Inhaberin oder Mitarbeiterinnen ihre Sorgen, Ängste und Wünsche an. Zwischen Umkleidekabine und Kassentisch reichen die Themen von Scheidung über Reisepläne bis hin zu Krankheiten. In einer sonst sehr hektischen Welt, in der man ständig abgelenkt wird, bietet Schenken & Genießen einen Ort zum Austausch.

Diese 3 Bereiche fassten wir schließlich zu folgendem Purpose zusammen: „Wir bieten durch Inspiration und persönlichen Austausch eine Auszeit vom Alltag.“ / „Inspiration und persönlicher Austausch als Auszeit vom Alltag.“

Der Purpose von Schenken & Genießen in Winnenden

Dieser Purpose beschreibt, was Schenken & Genießen seinen Kunden bieten möchte – unabhängig von wirtschaftlichen Aspekten oder Details, wie z.B. dem Sortiment. Er ist zeitlos und motivierend. Er beschreibt etwas, auf das man in den nächsten Jahren hinarbeiten kann. Auf jeden Fall aber kann sich die Inhaberin damit identifizieren.

Fazit und Ausblick

Ein Purpose beschreibt den Beitrag eines Unternehmens zu seiner Umwelt. Im Rahmen unseres Veränderungsprozesses hat er 2 Aufgaben: Orientierung und Identitätswahrung. Anders gesagt: Der Purpose hilft uns zu entscheiden, was wir verändern wollen und uns dabei treu zu bleiben.

Der Purpose (Unternehmenszweck) für Schenken & Genießen wurde definiert: „Wir bieten durch Inspiration und Austausch eine Auszeit vom Alltag.“

Natürlich ist dieser sehr subjektiv, da er von meiner Mutter und mir definiert wurde. Daher werden wir ihn im nächsten Schritt mit dem Team sowie mit ausgewählten Kunden diskutieren.

Der Purpose wird uns von nun an als gemeinsame Linie zur Bewertung von Veränderungsmaßnahmen dienen. Bei jeder Idee fragen wir uns zukünftig, ob sie auf den Purpose einzahlt. Hierzu zählen auch kleine Entscheidungen.

Beispielsweise stellt sich für uns aktuell die Frage, wie wir die Fläche im Eingangsbereich gestalten. Wir hatten bereits festgestellt, dass die beiden massiven Tische suboptimal für die Warenpräsentation sind. Nun könnten wir die jetzigen Möbel entweder durch Vitrinen oder alternativ durch 2 Tische auf Rollen ersetzen. Wir werden uns für letzteres entscheiden, da wir gemäß unseres Purpose einen Raum für persönlichen Austausch schaffen wollen. Dazu gehören zukünftig auch Events im Laden. Hierzu benötigen wir temporär eine größere Fläche. Diese lässt sich durch Möbel auf Rollen leichter realisieren. Auch die Frage, an welcher Stelle eine Sitzecke platziert werden soll, wird unter Beachtung des Purpose beantwortet: Zentral.

Der Purpose hilft aber nicht nur bei Entscheidungen zu Veränderungen. Zusätzlich werden wir analysieren, wo heute noch Lücken bestehen, um den Unternehmensweck weiter umzusetzen. Auch Social-Media-Content sollte zum Beispiel auf den Purpose einzahlen. Bisher gab es dazu keine klare Strategie. So werden wir zukünftig eher Styling-Tipps und Outfit-Vorschläge statt einzelner Produktbilder posten, da wir „Inspiration“ bieten möchten.

Gleichzeitig werden wir die bisherigen Fähigkeiten, die den Kern des Unternehmens ausmachen, weiter stärken. So gibt uns der Purpose Orientierung und hilft uns, die Identität von Schenken & Genießen trotz aller Veränderungen zu wahren.

Viel Spaß beim Umsetzen!

Ihre Verena Engelhardt