Im letzten Beitrag haben wir ein Gefühl der Dringlichkeit („Sense of Urgency“) erzeugt: Wir kennen nun die dringenden Gründe, weshalb eine Veränderung im stationären Einzelhandel – speziell für Schenken & Genießen – erforderlich ist. Bedeutet das nun, alles Bestehende über den Haufen zu werfen und alles zu verändern? Nein! Es gibt gute Gründe, weshalb kleine stationäre Händler wie Schenken & Genießen seit Jahrzehnten bestehen. Den Wandel gemeinsam zu gestalten bedeutet nicht, pauschal alles umzuwerfen und auf jeden Zug aufzuspringen. Wir wollen bei aller Veränderung die Identität des Unternehmens wahren. Darüber hinaus benötigen wir eine klare Richtung, einen „Nordstern“, für unsere Aktivitäten. Dazu definieren wir den sogenannten „Purpose“ (deutsch: Unternehmenszweck). Er dient zur Orientierung und Identitätswahrung im Wandel.
Wieso ein Purpose sinnvoll ist

Wenn ich darüber nachdenke, was ich bei Schenken & Genießen alles verändern will, läuft mein Kopf auf Hochtouren. Ob beim Einkaufsbummel durch ein nettes Städtchen oder auf der Messe – überall gibt es Inspirationen. Man könnte ja so viel machen. Inzwischen führe ich ganze Listen in meinem „Ideenspeicher“. Dann kommt die Ernüchterung. Ich frage mich regelmäßig: „Wann soll ich all das machen?“. Bei meiner Mutter als Inhaberin von Schenken & Genießen erzeugen die Ideen von Zeit zu Zeit eher Bauchschmerzen als Glücksgefühle. Nicht selten haben wir unterschiedliche Meinungen dazu. Fakt ist: Wir können nicht alles tun und nicht alles macht Sinn für Schenken & Genießen.
Wie bewerten wir nun, ob eine bestimmte Veränderung sinnvoll ist? Idem wir nach dem grundsätzlichen „Warum“ fragen: Dem sogenannten „Purpose“. Er soll uns Orientierung geben. Somit ermöglicht er ein gezieltes Handeln.
Ein Purpose hat darüber hinaus noch eine zweite Aufgabe: Er dient zur Identitätswahrung. Wie eingangs beschrieben, geht es bei StEinWand um gezielte Veränderung. Den charakteristischen Kern des Unternehmens wollen bzw. müssen wir unbedingt wahren. Somit ist der Purpose nichts, was man erfindet. Es geht eher darum, ihn zu erkennen und zu beschreiben. Durch die klare Definition wird er bewusst und kann im Veränderungsprozess berücksichtigt werden.
Der Purpose als Werkzeug im Wandel
Das Management-Werkzeug „Purpose“ findet aktuell großen Zuspruch in Unternehmen. Ein „Purpose“ (deutsch: Unternehmenszweck) gibt Orientierung. Dabei ist er zeitlos . Er beschreibt den Beitrag eines Unternehmens für seine Umwelt. Dazu zählen z.B. die Gesellschaft und die Menschen. Ein Purpose geht über den reinen wirtschaftlichen Erfolg hinaus. Somit bietet er langfristige Orientierung und schafft Motivation.
Ein Purpose sollte unter anderem 3 Fragen beantworten:
- Welchen Beitrag leistet das Unternehmen?
- Für wen wird der Beitrag geleistet?
- Welche Wirkung soll erzeugt werden?
Er beschreibt also den Mehrwert, den ein Unternehmen seinen Kunden bietet. Prominente Beispiele sind:
- DHL: Wir verbinden Menschen und verbessern ihr Leben. (Englisch: Connecting people, improving lives)
- IKEA: Create a better everyday life for people
- Google: Die Informationen dieser Welt organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar machen.
Exkurs: Das Zusammenspiel von Purpose, Vision, Mission und Strategie
Als ich zum ersten Mal in Berührung mit dem Thema „Purpose“ kam, war ich zunächst ein wenig verwirrt. Ich kannte bisher die klassische Unternehmensvision, ergänzt durch Mission und Strategie. Für mich war unklar, wie sich nun der Purpose eingliedert bzw. abgrenzt und wozu man ihn zusätzlich definiert. Ein Schaubild hat mir dabei geholfen:

Visuell gesprochen steht der Purpose noch über der Vision bzw. bildet einen Rahmen. Wie im oberen Absatz beschrieben, geht er über wirtschaftliche Betrachtungen hinaus und bezieht sich auf den Beitrag zur Gesellschaft. Die Vision beschreibt in der Abgrenzung dazu ein zu erreichendes Zielbild in der Zukunft. Die Mission umfasst den Weg zu diesem Ziel. Eine Strategie beschreibt schließlich die konkreten Maßnahmen zur Zielerreichung.
Wie man ergänzend eine Vision, Mission und Strategie definiert, wird Teil der weiteren Beiträge sein. Zunächst fokussiere ich mich auf den Purpose.
Einen Purpose definieren
Um den Unternehmenszweck zu definieren, werden zunächst verschiedene Fragen zum Unternehmen beantwortet. Vorlagen zur Purpose-Entwicklung geben dabei Struktur. Sie werden idealerweise in Teams durch Mitarbeiter bearbeitet. Dabei werden auch die Unternehmensgeschichte und Zukunftstrends beleuchtet. Beispielhafte Fragen sind:
- Was ist unseren Kunden besonders wichtig?
- Was sind unsere Stärken?
Einen Purpose kann man sowohl für ein Unternehmen, als auch für sich selbst definieren. Bei einem kleinen, inhabergeführten Unternehmen sind die Person und das Geschäft stark miteinander vernetzt. Daher schließen die Fragen auch Persönliches mit ein.

Wir (meine Mutter und ich) haben uns zur Purpose-Entwicklung für Schenken & Genießen einen Nachmittag lang Zeit genommen. Die Fragen, die uns zum finalen Purpose führten, hatte ich vorab auf Blätter geschrieben. Wie oben beschrieben nutzte ich Vorlagen aus dem Internet. Bunte Post it Zettel dienten dazu, Ergebnisse festzuhalten. Die Wohnzimmerwand fungierte als Whiteboard-Ersatz.
Es dauerte eine Weile, bis der Unternehmenszweck final definiert war. Wir sammelten alle Ideen erst einmal auf je einem Klebezettel. Im letzten Schritt konsolidierten wir die Punkte, die Schenken & Genießen im Kern auszeichnen und formulierten einen Satz daraus.

Die Erarbeitung des Purpose erfolgt also in mehreren Schritten. Wichtig ist, dass der/die Inhaber*in Teil des Entstehungsprozesses ist und sich mit dem Ergebnis identifizieren kann. Ein Purpose kann nicht durch einen Außenstehenden vorgegeben werden. Ich selbst hatte während des Workshops eine Doppelrolle – als Moderator aber auch als Teil von Schenken & Genießen. Es war zugegebenermaßen schwierig, mich inhaltlich immer wieder zurückzunehmen. Daher empfehle ich Ihnen, einen neutralen Moderator einzubinden. Wir haben uns aufgrund der persönlichen Fragen bewusst dagegen entschieden, die Mitarbeiter direkt beim initialen Workshop einzubeziehen. Dies wird nachgelagert erfolgen.
Der Purpose von Schenken & Genießen

Im Zuge des Workshops haben wir uns verschiedenen Fragen gestellt, unter anderem:
- Wieso kaufen Kunden bei Schenken & Genießen?
- Was ist charakteristisch für den Laden?
Nach mehreren Diskussionsrunden fokussierten wir uns auf folgende 3 Erkenntnisse:
Individualität & Exklusivität: Zum einen loben Kunden regelmäßig die „ausgefallenen“ Produkte. Schenken & Genießen möchte sich mit dem Sortiment vom Wettbewerb abheben. So sind viele Einzelteile Bestandteil des Angebots. Manche Kunden kommen konkret mit dem Ziel, sich zu belohnen oder sich bewusst etwas zu gönnen.
Inspiration: Einige Besucher möchten „einfach mal nur durchschauen“. Nicht selten verbringen Kunden mehrere Stunden vor Ort. Die liebevoll dekorierten Schaufenster zeigen regelmäßig Outfit-Kombinationen oder Deko-Vorschläge. Auch im Rahmen der persönlichen Beratung erhalten Kunden Tipps und Inspirationen.
Persönlicher Austausch: Das wahrscheinlich wichtigste Asset ist der persönliche Austausch. Oftmals entwickeln sich im Laden persönliche Gespräche. Teils völlig Fremde vertrauen der Inhaberin oder Mitarbeiterinnen ihre Sorgen, Ängste und Wünsche an. Zwischen Umkleidekabine und Kassentisch reichen die Themen von Scheidung über Reisepläne bis hin zu Krankheiten. In einer sonst sehr hektischen Welt, in der man ständig abgelenkt wird, bietet Schenken & Genießen einen Ort zum Austausch.
Diese 3 Bereiche fassten wir schließlich zu folgendem Purpose zusammen: „Wir bieten durch Inspiration und persönlichen Austausch eine Auszeit vom Alltag.“ / „Inspiration und persönlicher Austausch als Auszeit vom Alltag.“

Dieser Purpose beschreibt, was Schenken & Genießen seinen Kunden bieten möchte – unabhängig von wirtschaftlichen Aspekten oder Details, wie z.B. dem Sortiment. Er ist zeitlos und motivierend. Er beschreibt etwas, auf das man in den nächsten Jahren hinarbeiten kann. Auf jeden Fall aber kann sich die Inhaberin damit identifizieren.
Fazit und Ausblick
Ein Purpose beschreibt den Beitrag eines Unternehmens zu seiner Umwelt. Im Rahmen unseres Veränderungsprozesses hat er 2 Aufgaben: Orientierung und Identitätswahrung. Anders gesagt: Der Purpose hilft uns zu entscheiden, was wir verändern wollen und uns dabei treu zu bleiben.

Der Purpose (Unternehmenszweck) für Schenken & Genießen wurde definiert: „Wir bieten durch Inspiration und Austausch eine Auszeit vom Alltag.“
Natürlich ist dieser sehr subjektiv, da er von meiner Mutter und mir definiert wurde. Daher werden wir ihn im nächsten Schritt mit dem Team sowie mit ausgewählten Kunden diskutieren.
Der Purpose wird uns von nun an als gemeinsame Linie zur Bewertung von Veränderungsmaßnahmen dienen. Bei jeder Idee fragen wir uns zukünftig, ob sie auf den Purpose einzahlt. Hierzu zählen auch kleine Entscheidungen.
Beispielsweise stellt sich für uns aktuell die Frage, wie wir die Fläche im Eingangsbereich gestalten. Wir hatten bereits festgestellt, dass die beiden massiven Tische suboptimal für die Warenpräsentation sind. Nun könnten wir die jetzigen Möbel entweder durch Vitrinen oder alternativ durch 2 Tische auf Rollen ersetzen. Wir werden uns für letzteres entscheiden, da wir gemäß unseres Purpose einen Raum für persönlichen Austausch schaffen wollen. Dazu gehören zukünftig auch Events im Laden. Hierzu benötigen wir temporär eine größere Fläche. Diese lässt sich durch Möbel auf Rollen leichter realisieren. Auch die Frage, an welcher Stelle eine Sitzecke platziert werden soll, wird unter Beachtung des Purpose beantwortet: Zentral.
Der Purpose hilft aber nicht nur bei Entscheidungen zu Veränderungen. Zusätzlich werden wir analysieren, wo heute noch Lücken bestehen, um den Unternehmensweck weiter umzusetzen. Auch Social-Media-Content sollte zum Beispiel auf den Purpose einzahlen. Bisher gab es dazu keine klare Strategie. So werden wir zukünftig eher Styling-Tipps und Outfit-Vorschläge statt einzelner Produktbilder posten, da wir „Inspiration“ bieten möchten.
Gleichzeitig werden wir die bisherigen Fähigkeiten, die den Kern des Unternehmens ausmachen, weiter stärken. So gibt uns der Purpose Orientierung und hilft uns, die Identität von Schenken & Genießen trotz aller Veränderungen zu wahren.
Viel Spaß beim Umsetzen!
Ihre Verena Engelhardt